Was Spielplätze und Steuerbehörden gemeinsam haben...

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Die sommerlichen Temperaturen der letzten Tage und Wochen drängen einen Familienvater wie mich, mit den Kindern in Schwimmbäder und auf Spielplätze. Vor einigen Tagen saß ich zusammen mit unseren drei Kindern in einem kleinen Karussell auf einem Spielplatz mitten in Köln. Während sich mir langsam der Magen umdrehte, hatten die Kinder einen Riesenspaß, lachten, jauchzten und konnten von den vielen schnellen Drehungen gar nicht genug bekommen. Nach einiger Zeit wurde uns schließlich so schwindlig, dass wir -wie man so schön sagt- nicht mehr wussten, wo oben und unten ist.

In diesem Zusammenhang kam mir der Gedanke, dass dieses Bild auch gut auf die Herausforderungen der Identifikation von Umsatzsteuerkarussellen passt. Auch hierbei werden viele Warenbewegungen in kurzer Zeit getätigt – es geht rundherum, bis schließlich ein Schaden in erheblichem Umfang entstanden ist.

Die zuständigen Behörden versuchen mit aller Macht ein derart schnell drehendes Karussell frühzeitig zu erkennen und zu stoppen. Obwohl sie mit viel Wissen und Fleiß bei der Sache sind, gelingt es leider in nur wenigen Fällen, das schnelle Drehen von Umsatzsteuerkarussellen in den Griff zu bekommen. Die europäischen Behörden gehen davon aus, dass rund eine Billion Euro pro Jahr an Steuerausfällen zu verzeichnen ist. Wiederum 40 % hiervon sind, nach den offiziellen Angaben der EU, auf organisierte Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zurückzuführen. Diese Zahl beinhaltet den Umsatzsteuerausfall von rund 107 Milliarden Euro, von dem die EU pro Jahr ausgeht. Wenngleich genaue Zahlen fehlen, vermutet die EU, dass ein großer Teil dieses Betrages auf Umsatzsteuerkarusselle entfällt.

Wenn ich das Karussell auf dem Spielplatz anhalte, ist das eigentlich relativ einfach. Die Folgen können allerdings fatal sein, wenn ich vor lauter Schwindel - sehr zur Freude meiner Kinder - erstmal auf dem Hosenboden lande. Übertragen auf Umsatzsteuerkarusselle stellt sich das Ergebnis offensichtlich nicht so lustig dar.

Woran liegt das?

Zum einen ist sicherlich die Komplexität von Umsatzsteuerkarussellen ein erheblicher Faktor. Üblicherweise sind etliche Beteiligte involviert. Es werden zahlreiche Schein- und Tarnfirmen aufgebaut und Warenbewegungen fingiert bzw. nur zur Täuschung durchgeführt. Gleichzeitig erfolgen die meisten Tathandlungen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerkarussellen in erheblicher Geschwindigkeit, um die zuständigen Behörden an der Nase herumzuführen und ihnen immer wieder zuvorzukommen. Gleichzeitig ist für die Behörden die Identifikation und Verfolgung von Umsatzsteuerkarussellen häufig noch ein manueller Prozess. Das führt zu Verzögerungen und zu Mehraufwand, wenn nicht gar zu Unvollständigkeiten. Anders als das Karussell auf dem Spielplatz, das sich an einem festen Ort befindet, erstrecken sich Umsatzsteuerkarusselle fast immer über mehrere Staaten und damit über Staatsgrenzen hinweg. Aufgrund der jeweiligen Zuständigkeiten der Steuerbehörden, aber auch der Steuerermittlungsbehörden, ist damit ein umfassender Blick auf die dem Karussell zu Grunde liegenden Transaktionen erheblich erschwert. Gleichzeitig verkompliziert dieser konstante, monetäre Grenzübertritt sowohl die Nachverfolgung, als auch die Rückforderung von zu Unrecht ausgezahlten Umsatzsteuerbeträgen, bzw. die Einforderung offener Umsatzsteuerschuld.

Wie ich auf dem Spielplatz-Karussell Schwindelgefühle vermeide, habe ich mir mittlerweile von Eiskunstläufern abgeschaut. Ebenso wie bei Balletttänzern gilt es, den Kopf jeweils stückweise zu bewegen und die Augen jeweils auf einen festen Punkt zu richten, um beim nächsten Stück der Drehung auf einen neuen Punkt zu wechseln. Diese Fokussierung des eigenen Blicks lässt sich auch auf die Identifikation von Umsatzsteuerkarussell übertragen. Für die Ermittlungsbehörden und Steuerbehörden ist es von essenzieller Bedeutung, den eigenen datentechnischen Blick zur Fokussierung der Auffälligkeiten zu behalten und dann mittels analytischer Verfahren frühzeitig Indikationen für Umsatzsteuerkarusselle zu identifizieren.

Im beeindruckenden Umfang ist dies den belgischen Steuerbehörden gelungen, die mithilfe der fortschrittlichen analytischen Verfahren der SAS Software die eigenen Ermittlungsfähigkeiten  ausgebaut haben. Auf diese Weise konnten Umsatzsteuerkarusselle nahezu vollständig aus Belgien vertrieben werden. Die Schäden von ca. 1 Mrd. Euro wurden auf unter eine Million Euro reduziert.

Schön zu wissen, dass damit das Vergnügen von wilden Karussellfahrten wieder ein wenig bedenkenloser geworden ist.

Lesen Sie hierzu auch das aktuelle White Paper.

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About Author

Henrik Becker

Manager Fraud and Compliance Management

Henrik Becker ist bei SAS für alle Lösungen aus dem Bereich „Fraud Prevention" zuständig: Der Rechtsanwalt bringt mehr als zehn Jahre Erfahrung im Risk und Compliance Management mit. Zu seinem Tätigkeitsgebiet gehörten die Durchführung von Sonderuntersuchungen und Präventionsprojekten ebenso wie der Aufbau von Compliance Management Systemen. Darüber hinaus waren die Themen Netzwerk-Forensik und Datenschutz Schwerpunkte seiner Tätigkeit.

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